Wenn er morgens aufsteht und seinen vielleicht nur beiläufigen, aber gewohnten Blick aus dem Fenster wirft, dann tut sich da tief unter ihm eine große, rechteckige, grüne Wiese auf, die ihn magisch anzieht. Über die Jahre versprühen einige saftig-grüne Wiesen ihre Lockmittel. Alle haben ihren Reiz. Aber lange Zeit soll es keine von ihnen sein: David spielt zu gerne mit seinen Jungs auf dem staubigen Grant-Platz des kleinen Clubs auf seinem Hamburger Kiez.
David Philipp ist 6 Jahre alt, als ihn der Club-Manager eines kleinen Hamburger Fußballvereins vor der Haustür anspricht: Er habe ihn schon öfters gesehen und ob er mal zu einem Probetraining beim HEBC vorbei schauen wolle. Und schwupp wird aus dem ‚Mal-Vorbeischauen‘ fast ein ganzes Jahrzehnt, das David für den kleinen Verein spielt, in einer Mannschaft, die bis zur Ober- bzw. Verbandsliga aufsteigt. David und 3 weitere starke Spieler sind nicht mehr dabei. Sie alle spielen für bekannte norddeutsche Vereine in der Regionalliga Nord.
Der Hamburger DFB-Stützpunkt wird schnell auf den kleinen Dribbelkünstler aufmerksam. Auch dort glänzt er mit seiner selbstbewusst offensiven Spielweise. Es braucht nicht lange und David wechselt zur Hamburger Auswahl, die wiederum all diejenigen zusammenbringt, die bei den 4 verschiedenen Stützpunkten stark herausstechen.
Große Vereine wie der FC. Sankt Pauli, der HSV und Werder Bremen fragen das Ausnahmetalent immer wieder an. 2013 lädt Werder Bremen David in ein Trainingslager nach Lastrup und im Anschluss zu weiteren Sichtungsturnieren ein.
Über mehrere Jahre trainiert David parallel mit seiner 2000er-Truppe beim HEBC, beim Hamburger DFB-Stützpunkt und später bei der Auswahl.
Im Sommer 2014 macht sich Florian Kohfeldt – damals Trainer der Bremer U15-Regionalligisten, heute Co-Trainer bei den Profis – auf den Weg, um David für seine U15 Mannschaft in Bremen zu gewinnen. Was ihm gelingt. David läßt all das, was er so mag, tatsächlich hinter sich. Abschiedsreden, Tränen und Wünsche hier und da, und los geht’s auf eine gar nicht so lange, aber alles verändernde Reise von Hamburg nach Bremen. Von nun an ist David nicht mehr nur absoluter Werder Bremen Fan, sondern aktiver Spieler im Jugendbereich des Clubs.
Mit dem Einzug in das im Bremer Weser-Stadion gelegene Wilhelm-Scharnow-Internat verändert sich sein Leben so sehr, dass David von einer ‚Neuerfindung seiner selbst‘ spricht.
Wenn man plötzlich einen ganz neuen Schritt ins Unbekannte wagt und alles hinter sich lässt, Familie und Freunde, sein gesamtes, gewohntes Umfeld, dann ist das im Prinzip so, als erfinde man sich selbst neu.
In diesem Sommer lebt David bereits 2 Jahre im Weser-Stadion. Das Sport-Internat existiert seit fast 40 Jahren und begründet damit die Internatsgeschichte für junge Fussballtalente in Deutschland. Eine ausgefeilte, auf langer Erfahrung basierende und gewachsene Sache also. Zurzeit beherbergt das Internat 19 Nachwuchstalente. Geschlafen wird in Einzel- oder Doppelzimmern. Alle verfügen über eigene Bäder. Im Gemeinschaftsbereich steht ein Billardtisch, eine Tischtennis-Platte, ein Kicker, es gibt PCs mit Internetzugang und sämtlichen Lesestoff. Die hier lebenden Jungs sind unterschiedlichen Alters, kommen fast alle von weit her und spielen natürlich alle bei Werder Fussball. Diejenigen, die zur Schule gehen, besuchen das kooperierende Bremer Gymnasium ‚Links der Weser‘, die anderen machen eine Ausbildung. Auf diese Weise bietet der Profi-Club seinen ‚Nachwuchshoffnungen‘, wie er seine Talente auf der Vereinsseite nennt, die Möglichkeit, möglichst stressfrei und ohne weite Anreise am täglichen Training teilzunehmen und gleichzeitig in Schule und Ausbildung dran zu bleiben. Für David ein entscheidendes Kriterien:
Ich will auf jeden Fall mein Abitur machen! Eine Fußballer-Karriere ist spätestens mit Ende 30 vorbei. Ausserdem kann man sich immer so stark verletzen, dass von heute auf morgen alles vorbei ist. Was, wenn ich mir das Kreuzband reiße, und ich nie wieder richtig reinkomme? Und dann muss man erst einmal so viel Geld verdienen, dass man nach der Karriere gar nicht mehr arbeiten muss. Deshalb will ich irgendetwas in der Tasche haben. Das ist auf jeden Fall klar.
Nach den Sommerferien geht David in die 11. Klasse. Sein Notenschnitt kann sich sehen lassen. Er ist nicht der allerfleißigste, und er mag auch nicht alle Fächer, aber wenn es drauf ankommt, setzt er sich hin und lernt. Die Kooperation zwischen Schule und Verein läuft also. Und erste anfängliche Umstellungs- und Anstrengungssymptome wie bleierne Müdigkeit am Abend sind längst überwunden.
Am Anfang bin ich tot ins Bett gefallen, weil das alles Neuland für mich war. Wenn ich heute mal nicht so gut drauf bin, schnapp ich mir meine Kopfhörer und höre ein bisschen Musik zum Runterkommen. Und falls ich mal etwas zu bereden hab‘, tue ich das mit Personen meines Vertrauens. Die hab ich hier auch.
Vor ungeahnt auftretenden ‚Nach-hause-Wollen-Attacken‘ leistet der von Anbeginn installierte und täglich genutzte Family Chat Abhilfe. Auch seine alten Freundschaften kann David auf diese Weise pflegen, sicherlich nicht alle, aber die wichtigen.
Es ist ja von vorne herein klar, dass nicht alle Freunde bleiben werden, wenn man in eine andere Stadt zieht. Es gibt ja auch die sogenannten ‚Phasenfreundschaften‘. Man ist sich sympathisch, geht in die gleiche Klasse oder trainiert in einer Mannschaft. Und wenn sich das ändert, verliert man sich wieder aus den Augen. Mit meinem Wegzug aus Hamburg habe ich auch die eine oder andere Freundschaft verloren. Meinen besten Freund hab ich immer noch. Wir sehen uns natürlich viel seltender. Fußball spielt er übrigens nicht, aber zwischen uns besteht etwas, und das wird so bleiben.
David erzählt ruhig und strukturiert, er macht einen tiefenentspannten, zufriedenen Eindruck. Dabei ist seine Woche komplett durchgetaktet. Montags und mittwochs muss er richtig früh raus. Während der Rest seiner Klasse, wie wir‘s alle kennen, täglich ab 8 die Schulbank drückt, bringen David und seine Werder Mannschaftskollegen ihren Kreislauf beim Frühtraining etwas dynamischer in Schwung.
Montags und mittwochs steh ich um 6 Uhr auf. Das Früh-Training geht von 8:00 bis 9:15 Uhr. Um 10:10 Uhr haben wir dann wieder Unterricht. Manche von uns sind nicht so beweglich, anderen wiederum fehlt die Kraft im Oberkörper oder in der Rumpfmuskulatur, die wir für die Zweikämpfe benötigen. Daran wird dann mit einem Athletik-und Fitnesstrainer individuell gearbeitet. Ich mache viel Krafttraining, aber auch Koordinations- und Beweglichkeitsübungen.
Es muss nicht alles gleichzeitig abrufbar sein, aber wer für einen renommierten Verein wie Werder Bremen spielt, der wird einiges mitbringen: Talent. Na klar. Aber genauso den nötigen Biss, eine ordentliche Portion Selbstvertrauen und – ganz wichtig – gewisse soziale Fähigkeiten, wie Nachsicht und Zuversicht, Teamgeist und ein ausgereiftes Loyalitätsverständnis. Es geht darum, Spaß zu empfinden, genauso aber auch darum, den nötigen Ernst zu erkennen.
David ist nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort, er wechselt diesen zum richtigen Zeitpunkt.
Ich war bei meinem alten Club einer der Führungsspieler, einer derjenigen, die den Unterschied noch einmal ausmachen können, die aus der Mannschaft etwas hervorstechen. Ich dachte, dass ich mir bei Werder einen Stammplatz erst einmal erkämpfen muss, um dann am Wochenende in der Startformation zu sein. Aber dann hab ich in meinem allerersten Spiel für Werder gleich in der 4. Minute das 1:0 gemacht. Ich bin mir sicher, dass die ganze Saison anders gelaufen wäre, hätte ich dieses Tor nicht gemacht. Das hat mir auf einen Schlag so viel Selbstvertrauen gegeben. Im 2. Spiel hab ich dann gleich wieder getroffen. Und so hab ich die ganze Zeit gespielt. Ich dachte wirklich nicht, dass ich es so schnell schaffe.
Mittlerweile spielt der 16-jährige auch in Bremen eine wichtige Rolle innerhalb seiner Mannschaft und gehört zu denen, die das Spiel immer wieder mal ausmachen. Seine Position hat der Torjäger noch einmal gewechselt: Vom Sturm ins linke Mittelfeld. Eine Position, die er mag und beherrscht.
Für Davids Altersgruppe gibt es noch keinen festen Kader auf nationaler Ebene. Man wird zu Turnieren eingeladen, an denen alle deutschen Auswahlmannschaften teilnehmen. Und es gibt wichtige Lehrgänge, an denen auch David immer wieder teilnimmt. Bislang hatte er noch keinen Einsatz für die deutsche Nationalmannschaft im Juniorenbereich, aber man hat ihn im Blick.
Ab der Saison 2016/17 – ab kommendem Herbst also – wird David in der Bundesliga (U17) spielen. Eine weitere Herausforderung, auf die er sich freut.
Viel kann geschehen, auch Unverhofftes. Das weiß David. Und deshalb bleibt er dran! Bei allem, was entscheidend sein könnte für sein Leben!
Ich will auf jeden Fall etwas mit Sport machen. Wenn ich in den nächsten Jahren merke, das läuft gar nicht mit Fußball, dann studiere ich vielleicht so etwas wie Sportwissenschaften oder Sport-Journalismus. Als Kommentator zu arbeiten, finde ich interessant. Klar ist, dass ich immer etwas mit Sport zu tun haben möchte. Inwiefern genau? Darüber mache ich mir noch keine Gedanken.
Für den aufgebrachten Mut, sich selbst neu zu erfinden, erntet David gerade Früchte. In der Form, wie er das tut, gelingt das nicht immer und nicht jedem. Einige, die in der Liga spielen, schaffen den Sprung in den Erwachsenen-Profi-Bereich am Ende nicht. Dennoch: Sie alle sammeln durch Ihren Schritt in unbekannte Gefilde Erfahrungen; tagtägliche Erfahrungen im Leistungsbereich, und diese können sehr nützlich sein und idealerweise stärkend wirken. Der Sportler ist ehrgeizig und perfektionistisch, er verzeiht sich keine Fehler. Dann lernt er, vielleicht plötzlich, dass – na nu? – doch nicht alles kontrollierbar ist, und im gleichen Zuge beginnt er, sich auf die Dinge zu konzentrieren, die er tatsächlich steuern kann. Das sind die eigentlichen Früchte, und von denen dürfen alle naschen.
♠ Steckbrief ♠
Name
David Philipp
Geboren
10.04.2000 in Hamburg
Wohnsitz
Internat Werder Bremen
Größe
179 cm
Gewicht
65 kg
Augenfarbe
braun
Haarfarbe
braunblond
Hobbies
Fahrradfahren, Fifa spielen
Lieblingsspeisen
Milchreis, Pizza, KiBa
Coole Fächer
Mathe, Sport
Nicht so coole Fächer
Physik, Chemie
Ausgeprägte Charaktereigenschaften
Ehrgeiz & Siegeswille
Worin ich richtig gut bin im Fußball
Dribbling, Torabschlüsse, Standard-Torschüsse, Ausdauer, 1zu1Kontakt
Woran ich noch arbeite und was ich noch verbessern kann im Fußball
Kraft, Tempo, Verlieren-Können, Nicht-mehr-mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-gehen-Wollen, Geduldiger-Werden
Lieblingsskills
Übersteiger, Zidan-Rolle, aber Tricks wende ich nur auf dem Bolzplatz an.
Lieblingsprofispieler
Ronaldinho für sein Lächeln beim Spielen und seinen Trickreichtum, seine Raffinesse; aus armen Verhältnissen kommend, hat er immer für den Fußball gestrahlt.
Toni Kroos für seinen ruhigen Ball und seinen unverkennbaren Spaß am Spielen.
Tiago ebenfalls für seine Freude am Spielen, aber auch für sein Abspielen und für diese Sachen, die er macht, wo man sich fragt: Wie hat der das jetzt gemacht?
Pogba, weil er cool ist, aber irgendwie auch etwas abgehoben
Deine letzten Verletzungen
Bei WB noch keine richtige
Berufswunsch
Fußballprofi, klar!
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